Digitale Erleuchtung – made in Germany
Warum die digitale Zukunft hierzulande noch mit der Taschenlampe gesucht wird
„Digitalisierung? Läuft!“
So klingt es zumindest in jeder zweiten politischen Sonntagsrede. Und man möchte es ja glauben – wirklich! Wer wünscht sich nicht eine Verwaltung, die online funktioniert, ein Bildungssystem, das digitale Kompetenzen fördert, und einen Breitbandausbau, der mehr als nur das Ortsschild erreicht?
Doch die Realität sieht anders aus. Deutschland, drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, digitalisiert sich im Jahr 2025 in etwa so dynamisch wie ein Laubsauger im Leerlauf. Wer wissen will, wie die digitale Zukunft in diesem Land aussieht, sollte sich besser keine LED, sondern eine antike Petroleumlampe kaufen. Sie passt besser zum Digitalisierungstempo – und man bekommt sie immerhin schneller geliefert.
Digitale Zukunft: Konzept oder Fata Morgana?
Die digitale Zukunft – sie steht in jedem Koalitionsvertrag, wird auf jeder Branchenmesse beschworen und geistert durch Ministerien wie ein ewiges Versprechen. Aber was ist sie eigentlich?
Ein Ziel? Eine Ausrede? Oder doch nur ein Mythos?
Wenn man sich die Umsetzung der sogenannten digitalen Zukunft in Deutschland ansieht, stellt sich schnell Ernüchterung ein. Viel Strategie, wenig Substanz. Viel Bürokratie, wenig Bewegung. Willkommen im Digital-Delirium mit deutschem Handbuch.
Der Zustand: Digitale Ambitionen im Sanierungsmodus
Deutschland versteht es meisterlich, Pläne zu machen. PowerPoint-Folien mit ambitionierten Begriffen wie „Digitale Souveränität“, „Smart Administration“ oder „NextGen Services“ gibt es mehr als funktionierende Online-Formulare.
Aber beim Umsetzen hapert’s – gewaltig.
Laut dem eGovernment MONITOR 2024 nutzt nur ein Drittel der Bevölkerung digitale Verwaltungsangebote. Warum? Weil die Systeme in vielen Fällen schlicht nicht nutzbar sind. Entweder funktionieren sie nicht, sie sind absurd umständlich oder schlicht gar nicht erst verfügbar.
Ein Beispiel? Die Online-Funktion des Personalausweises. Technisch vorhanden, ja. In der Praxis: Nur 7 % der Deutschen haben sie je verwendet. Die restlichen 93 % warten offenbar auf ein Wunder – oder eben die digitale Zukunft, sobald sie den Behörden bekannt ist.
Verwaltung digital? Kommt nicht aus dem Knopfloch.
Der Digitalverband Bitkom bringt es regelmäßig auf den Punkt: Während Estland Steuererklärungen per App erledigt und in Dänemark das papierlose Rathaus längst Realität ist, ringt Deutschland mit digitaler Basisausstattung.
Stichwort Faxgerät: In unzähligen Behörden ist es immer noch das Rückgrat der Kommunikation – meist direkt neben dem Dienst-Notebook mit Windows 7 und Offline-Druckerwartung.
Dabei sind laut Bitkom fast drei Viertel der Menschen bereit, digitale Services zu nutzen – wenn man sie denn ließe. Es fehlt nicht am Willen, sondern am System. Und am klaren politischen Willen zur digitalen Zukunft, die über Absichtserklärungen hinausgeht.
BMWK: Große Worte, kleine Wirkung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gibt sich redlich Mühe. In der Digitalstrategie der Bundesregierung ist alles enthalten, was das Buzzword-Herz begehrt: Rechenzentren, KI, Quantentechnologie, „digitale Resilienz“ (was auch immer das genau sein mag).
Aber ein Strategiepapier ist eben noch kein funktionierender Online-Bürgerservice – und ganz sicher kein Durchbruch in Sachen digitale Zukunft. Was fehlt? Eine zentrale Steuerung. Eine durchgreifende Architektur. Und ja: Mut, Innovation wirklich zu wollen – nicht nur zu erwähnen.
Heise Online: Die Dampflok des Fortschritts
Wer sich traut, das Kind beim Namen zu nennen, sollte regelmäßig Heise Online lesen.
Die Redaktion bringt die Wahrheit trocken und treffend auf den Punkt: Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung bewegt sich mit dem „Tempo einer Dampflok“. Und das im besten Fall. Denn manchmal wirkt es eher wie ein Eselskarren mit defektem Kompass.
Ein Land, das sich ernsthaft der digitalen Zukunft verschreibt, muss bereit sein, digitale Denkblockaden zu sprengen – und nicht neue Verordnungen zu drucken, um digitale Prozesse auf Papier zu „dokumentieren“.
Digitale Zukunft in Zahlen: Die bittere Bilanz
Platz 13 im DESI-Index: Hinter Ländern wie Estland, Lettland und Portugal.
Nur 18 % der Schulen verfügen über flächendeckendes WLAN.
<15 % der Haushalte sind ans Glasfasernetz angeschlossen.
>70 % der Deutschen wünschen sich digitale Behördengänge – aber über 60 % haben dabei schlechte Erfahrungen gemacht.
So sieht sie also aus, die digitale Zukunft – zumindest hierzulande. Ein Fernziel mit vielen Zwischenstopps. Meistens auf dem Standstreifen.
Warum die digitale Zukunft stockt
Was genau läuft schief? Hier eine kleine, nicht vollständige Liste:
Föderalismus: Jedes Bundesland bastelt seine eigene Digitalwelt. Kompatibilität? Optional.
Personalnot: IT-Fachkräfte in Behörden? Selten. Gut ausgebildete Kräfte zieht es in die freie Wirtschaft.
Angstkultur: „Was, wenn etwas schiefläuft?“ – Der Satz ist in deutschen Amtsstuben weit verbreiteter als „Lass uns was Neues wagen.“
Technologiefeindlichkeit: Datenschutz ist wichtig. Aber wenn man ihn zur heiligen Kuh macht, stirbt jede Innovation einen frühen Tod.
Was müsste passieren?
Ein eigenständiges Digitalministerium mit Befugnissen – nicht ein Appendix von Verkehr oder Innerem.
Eine echte Bildungsoffensive, die digitale Zukunft nicht nur in Lehrpläne schreibt, sondern in die Realität bringt.
Standardisierte Portale, die bundesweit nutzbar sind – statt 16 inkompatibler Lösungen.
Verwaltungskultur im Wandel: weniger Absicherung, mehr Experimentierfreude.
Fazit: Die digitale Zukunft wartet nicht – aber Deutschland tut es
Die digitale Zukunft ist kein Märchen. Sie existiert – in anderen Ländern. Bei uns wird sie zur Geduldsprobe. Und während die Welt sich weiterdreht, fragt man sich: Wie viel Zukunft darf’s denn sein?
Solange wir mehr reden als handeln, wird die digitale Zukunft eine dieser ewigen Baustellen bleiben. Mal mit bunten Plänen, mal mit ambitionierten Pilotprojekten – aber nie mit echtem Systemwechsel.
Quellenangaben:
• Bitkom – Digitalisierung der Verwaltung
• BMWK – Digitalstrategie der Bundesregierung
• Heise Online – Öffentliche Verwaltung: Digitalisierung mit Dampflok-Tempo
• Initiative D21 – eGovernment MONITOR 2024